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Text File  |  1998-03-14  |  2KB  |  71 lines

  1. TITEL: DER TURM
  2.  
  3.  
  4. TEXT + MUSIK: L:HIRSCH / L.HIRSCH
  5. INTERPRET   : LUDWIG HIRSCH
  6. --------------------------------------------------
  7. Ich weiβ noch genau, ich war vielleicht fünf Jahre
  8. alt, da hab' ich
  9. mir von Mutter einen Strumpf über den Kopf gezogen,
  10. bin damit
  11. runter zur Milchfrau und hab' gebrüllt: " Frucht-
  12. joghurt oder Leben! "
  13. Sie haben mich zur Strafe den ganzen Tag in mein
  14. Zimmer gesperrt,
  15. haben die Vorhänge zugezogen, die Glühbirne aus der
  16. Fassung 
  17. geschraubt und mich mit der Dunkelheit und einer 
  18. Flieger, die da
  19. irgendwo zwischen Vorhang und Fenster herumlärmte,
  20. allein 
  21. gelassen.
  22. Ich hab' mich hingesetzt und hab' begonnen, aus 
  23. meinen Träumen 
  24. einen Turm zu errichten.
  25. Einen Turm, bis zum Himmel hoch.
  26. Und ich und meine Freunde, der Franz, der Jakob, 
  27. der Thomas und
  28. auch die kleine Hildi, wir zogen durch die Straβen 
  29. und riefen alle
  30. Kinder der Welt zusammen und luden sie ein, mit uns
  31. in den Turm
  32. zu ziehen.
  33. Ja, und das taten sie dann auch.
  34. Und wir sprachen alle die gleiche Sprache, lebten
  35. in Frieden, waren
  36. frei und glücklich bis zum Himmel hoch, und niemand
  37. konnte uns
  38. stören dabei, denn vor dem groβen Eingangstor war
  39. eine gewaltige,
  40. feuerspeiende Fliege postiert, die uns beschützte.
  41. Und ich weiβ noch genau, plötzlich polterte mein
  42. Vater in's Zimmer,
  43. mit seinen schwarzen, schweren  Schuhen, die er 
  44. immer trug. Er riβ
  45. die Vorhänge auf, schraubte die Glühbirne in die
  46. fassung, erschlug
  47. die Fliege und rief: " Ausgeträumt mein Sohn! 
  48. Raus! "
  49. Da fiel mein Turm in sich zusammen, und alle Kinder 
  50. der Welt
  51. waren wieder, wie auf einen Schlag, über die ganze 
  52. Erde zerstreut,
  53. und keiner verstand mehr die Sprache des anderen.
  54. Und ich ging runter auf die Straβe, traf dort den
  55. Franz, den Jakob,
  56. den Thomas und die kleine Hildi und erzählte ihnen
  57. meine Traumgeschichte.
  58. Und an diesem Nachmittag beschloβ der Franz nicht
  59. Verhaltensforscher, sondern Ziegelhersteller, der
  60. Jakob nicht mehr 
  61. Astronaut, sondern Technischer Zeichner zu werden,
  62. der Thomas
  63. beschloβ Architektur zu studieren, die kleine 
  64. Hildi, wollte sowieso
  65. immer Maurer lernen, und ich beschloβ ganz einfach
  66. Träumeerzähler zu werden.
  67. Und wir schworen uns hoch und heilig: " Bald, sehr
  68. bald bauen wir
  69. einen Turm.
  70. Einen Turm, bis zum Himmel hoch! "
  71. ə